Wie fühlt es sich an, wenn man als eine Erzieherin in einem Hort vorübergehend in eine Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen wechselt? Eine IB-Kollegin aus Potsdam hat das ausprobiert, um ihre Kolleginnen und Kollegen während des Corona-Lockdowns zu unterstützen. Hier berichtet sie über ihre Erfahrungen.
Mit den Schul- und Kitaschließungen ist die Krise bei mir „angekommen“. Eine komplette Neuausrichtung aller Strukturen führte bei mir, wie bei allen anderen, zu einem völlig veränderten Alltag und vielen Fragezeichen. Homeoffice – arbeiten ohne Kinder, aber dafür mit den eigenen Kids zuhause? Eigentlich nicht schlecht, den Betreuungsauftrag bei den eigenen Kindern umzusetzen – das sollte doch eigentlich honoriert werden in diesen Zeiten der Krise. Nebenher aber der Druck „liefern“ zu müssen und auch den Anspruch in Kontakt zu bleiben mit den Hortkindern. Derzeit nur möglich über soziale Medien. Mich persönlich erreichten E-Mails der Lehrer*innen und Erzieher*innen, des Sportvereins und des Tanz- und Musiklehrers, dazu Videotelefonie mit Freunden und Familie. Alles nebenher zu organisieren - für mich eigentlich nur eine Belastung - also Runterfahren auf ein Minimum. Dazu nun noch mein „Homeoffice“ und die Frage: Werde ich gebraucht in einer - zu diesem Zeitpunkt - fast leeren Einrichtung mit engagierten Eltern zuhause?
"Ich wollte für mich die Chance nutzen und Einblicke in ein anderes Arbeitsfeld erlangen."
Auf meiner Arbeitsstelle, einem Hort des IB hatten wir anfangs an wechselnden Tagen die Notfallbetreuung der Kinder noch gut abdecken können und die Möglichkeit Dinge zu erledigen, die im Alltag auf der Strecke bleiben. Ich wollte für mich die Chance nutzen und Einblicke in ein anderes Arbeitsfeld erlangen. Ich hatte beruflich wie privat Kapazitäten frei: Mein Partner hatte seinen Resturlaub nehmen können und konnte unsere Kinder einige Wochen betreuen. Ich überlegte, wie ich die verschiedenen Faktoren für mich und andere gewinnbringend zusammenbringen könnte. Nach einigen Tagen Homeschooling mit meinem Sohn konnte ich mir vorstellen, dass eine dahingehende Unterstützung auch an anderer Stelle entlastend sein könnte. So kam der Kontakt mit der Gemeinschaftsunterkunft „Konsumhof“ zustande und führte zu einer herzlichen Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen vor Ort.
Den ersten Arbeitstag dort begann ich völlig erwartungsfrei. Die ersten Kinder fanden sich im Laufe des Vormittags nach und nach mit ihren Schulmaterialien der ersten bis siebten Klasse im Gemeinschaftsraum ein. Ich arbeitete mit sieben Kindern der Einrichtung zusammen. Wir lernten uns erst einmal kennen und ich verschaffte mir einen Überblick über die zu erledigenden Schulaufgaben der Kinder. Manche waren gut organisiert, andere brauchten starke Unterstützung und viel Bestätigung. Ich hatte das Gefühl, dass die Eltern der Kinder sehr dankbar für die Strukturierung des Vormittags waren. Auch die Kinder trafen nun zunehmend pünktlicher zu unseren Lerntreffen ein.
An den Nachmittagen habe ich mit einer Kollegin Bastelangebote durchgeführt. Waren die Angebote anfangs stark gelenkt wurden sie später freier. Eine Kollegin meiner Einrichtung unterstützte uns nun zusätzlich und wir versuchten nach dem Konzept von Maria Montessori so etwas wie eine vorbereitete Umgebung zu schaffen. Es hat mich sehr beeindruckt wie viel freier die Kinder in ihrer Arbeit wurden. Nach und nach entstanden fantasievolle Kunstwerke, die die Kinder in Eigenregie in einer kleinen Ausstellung innerhalb der Unterkunft arrangierten. Die Kinder begannen nun auch Regeln im gemeinsamen Umgang zu erstellen. Wir haben sie behutsam dabei begleitet.
Mich hat diese Entwicklung, die sich in dieser kurzen Zeit ergeben hat, sehr beeindruckt. Ich bin dankbar für die Möglichkeit Einblicke in diese Einrichtung des IB erhalten und so wundervolle Menschen kennengelernt zu haben.