Berufliche Teilhabe für beeinträchtigte Menschen

Anja Meyer 03.11.2020 Lesedauer 4 Min.

Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe. Dazu gehören auch die Teilnahme am Arbeitsleben und die Aufnahme einer Beschäftigung. Einer regulären Erwerbstätigkeit können viele Erwachsene und Jugendliche aufgrund von körperlichen oder geistigen Einschränkungen jedoch nicht immer nachgehen. Bisher waren die Werkstätten für Menschen mit Behinderung das einzige Angebot in der beruflichen Bildung und Beschäftigung. Seit zwei Jahren gibt es eine Alternative dazu – seit Kurzem auch beim IB.

Die Idee der Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) ist weit mehr als 100 Jahre alt. Seit 2016 sind die WfbM rechtsverbindlich im Bundesteilhabegesetz verankert. Mit dem Bundesteilhabegesetz wurde für Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen haben, auch eine Alternative in der beruflichen Bildung und zur Beschäftigung geschaffen. Nach § 60 Sozialgesetzbuch (SGB IX) können Bildungs- und Beschäftigungsangebote seit dem 1. Januar 2018 auch bei sogenannten "anderen Leistungsanbietern" wahrgenommen werden.

„Uns liegt am Herzen, jedem Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen."

Bundesweit gibt es aktuell 35 anerkannte Anbieter. Dazu gehört seit Anfang dieses Jahres auch der Internationale Bund (IB). Der IB Berlin-Brandenburg erhielt für die Einrichtung der Beruflichen Bildung am Standort Neuenhagen am 1. Februar 2020 die Anerkennung „Anderer Leistungsanbieter“; im Juli 2020 folgte der Standort Frankfurt (Oder), der jetzt ebenfalls Alternativangebote zu den Werkstätten für Menschen mit Behinderung anbieten kann. Damit ist der IB der bisher einzige anerkannte Anbieter in Berlin und Brandenburg.

Schon bevor das SGB IX Anfang 2018 novelliert worden war, hatte der IB auf allen Ebenen an Alternativen zur Werkstatt für Menschen mit Behinderungen gearbeitet. „Das ist das erfreuliche Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit von IB-Mitarbeiter*innen des Ressorts Produkte und Programme der Zentralen Geschäftsführung in Frankfurt/Main sowie den Verantwortlichen des IB Berlin-Brandenburg“, so IB-Vorstandsmitglied Karola Becker. „Das beweist einmal mehr, dass wir als IB unsere Stärke als überregional aufgestellter, gleichzeitig in den Regionen fest verankerter Träger optimal verknüpfen können.“ Innerhalb der IB-Gruppe laufen derzeit weitere Antragsverfahren.

IB-Angebot „Mensch & Teilhabe“ läuft über zwei Jahre

Beim IB Berlin-Brandenburg läuft das Angebot „Andere Leistungsanbieter“ unter dem Titel „Mensch & Teilhabe“, welches Menschen anspricht, die sich aus persönlichen Gründen nicht in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung eingliedern möchten, sondern eine alternative Beschäftigungsform bevorzugen. „Uns liegt am Herzen, jedem Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dazu trägt unser neues Angebot bei.“, sagt Susanne Dünkel, Leiterin Berufliche Bildung beim IB Berlin-Brandenburg, Region Brandenburg Nordost.

Das Angebot umfasst zu Beginn eine intensive Feststellung der sozialen und persönlichen Kompetenzen sowie der Arbeitsmarktfähigkeit. Dieses Eingangsverfahren dauert maximal drei Monate. Daran schließt sich der Berufsbildungsbereich an, in dem die Teilnehmenden vorrangig ihre fachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten in verschiedenen Fachbereichen erweitern und ausbauen können. Solche Qualifizierungsmodule gibt es beispielsweise im Bereich Hauswirtschaft mit den Schwerpunkten Reinigung oder Textilpflege und im Gartenbereich mit der Pflege von Grünanlagen. Auch Praktika in Betrieben sind vorgesehen. Dort können sich die Teilnehmer*innen unter betrieblichen Arbeitsbedingungen erproben. Von Anfang an findet eine pädagogische Begleitung durch Sozialarbeiter*innen und Psychologen*Psychologinnen statt, die die persönliche Entwicklung unterstützen.

Das Angebot „Mensch & Teilhabe“ ist freiwillig und berücksichtigt das Wunsch- und Wahlrecht für behinderte Menschen in besonderer Weise. Sollten sich teilnehmende Personen in diesem Angebot nicht wohlfühlen, können sie jederzeit wieder in eine Werkstatt (WfbM) wechseln. Die Kostenträger für das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich können variieren, wie Susanne Dünkel erklärt: „Das können entweder die Agentur für Arbeit, die Rentenversicherung oder die Berufsgenossenschaften sein.“

Anschließende Perspektiven

Im Anschluss an das zwei Jahre dauernde Angebot wird es für die Teilnehmenden eine langfristige berufliche Perspektive geben. Im sogenannten Arbeitsbereich werden Menschen mit Behinderung eine arbeitnehmerähnliche Beschäftigung beim IB erhalten und in verschiedenen Arbeitsbereichen produktiv tätig werden, zum Beispiel im Holzbereich. „Wir planen eine Kooperation mit einer Tischlerfirma aus der Region. Die übergibt uns einen Auftrag, zum Beispiel das Herstellen einer bestimmten Stückzahl von Holzhockern für Kitas. Diese Holzhocker werden in unserer Werkstatt mit den Beschäftigten hergestellt.“, erzählt Susanne Dünkel. Auf diese Weise können die Beschäftigten ihr eigenes Geld verdienen, werden finanziell unabhängiger und selbständiger.

Für die Erweiterung des Angebotes läuft derzeit noch das Anerkennungsverfahren: „Wir hoffen, dass wir bis Ende dieses Jahres die Zusage erhalten.“, sagt Susanne Dünkel. Die Kosten werden dann von den örtlichen Sozialhilfeträgern übernommen.

Grüner Bildungscampus Neuenhagen

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Anja Meyer

war als Referentin für Kommunikation und Marketing sowie als Pressesprecherin beim IB Berlin-Brandenburg tätig. In dieser Funktion kümmerte sie sich um die…

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