Kunst trifft Handwerk

Carol Neumann 06.06.2023 Lesedauer 4 Min.

Abseits von technischen Vorgaben, festen Maßen und Werkstatträumen haben unsere Auszubildenden, die gerade in Strausberg den Beruf „Fachpraktiker*in für Holzbearbeitung“ erlernen, die Chance mit Profis der Bildhauerei zusammen zu arbeiten und künstlerische Techniken zu erlernen.  Jede*r Künstler*in arbeitet im TANDEM mit Auszubildenden. Hier, in der Natur entstehen aus Baumstämmen - und nicht aus gehobelten Brettern – großartige Skulpturen. Hier entwickeln sich Fantasie und Kreativität.

Berufe in der Holzbearbeitung haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr ver“technisiert“. Veränderte Kundenbedarfe, Anforderungen und Technologien verlegen die Schwerpunkte – natürlich auch in der Ausbildung – immer mehr auf Produktion und Plattenmaterialien. Selbstverständlich werden die Grundfertigkeiten und das Herstellen traditioneller Holzverbindungen weiter gelehrt. Das muss sitzen! Aber auch hier geht es um rechte Winkel und vorgegebene Einteilungen an meist genormten Holzwerkstoffen.

Den Ausbilder*innen ist natürlich auch daran gelegen, die Kreativität und das Vorstellungsvermögen der jungen Menschen während der Ausbildung zu entwickeln. Passend dazu startete am 24. April, im Rahmen des „17. Internationalen Bildhauerpleinair“, das Projekt „Kunst trifft Handwerk“ im Skulpturenpark Wilkendorf.
In diesem Projekt ging es darum den jungen Auszubildenden Zugang zur Welt der Kunst und den dabei angewandten Techniken zu geben. Acht Auszubildende des IB wurden den Bildhauer*innen aus Deutschland, Österreich, Ungarn, Polen, Bulgarien und der Türkei zur Seite gestellt und arbeiteten mit ihnen in Tandems an den Skulpturen, die beim Pleinair entstanden.

Einer der Auszubildenden ist Sascha. Er ist im ersten Ausbildungsjahr zum Fachpraktiker für Holzbearbeitung. Sascha liebt das natürliche Material Holz. Er begann, vor dieser, bereits eine Ausbildung zum Maler und Lackierer in Koblenz. Der Plan war in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, der ebenfalls in diesem Beruf tätig ist. Jedoch merkte er, dass Farbe nicht so sein Element ist. Ihn zog es zum Holz. Mit Werkzeugen ein natürlich gewachsenes Material zu bearbeiten – das ist es! 
Aus familiären Gründen und der Sehnsucht nach seiner alten Heimat, verließ Sascha Koblenz und seine Ausbildung und kam zurück in den Landkreis Barnim. Hier lebt er jetzt in einer WG und ergriff sofort die Chance beim IB einen Beruf in der Holzbearbeitung zu erlernen.
Sascha freut sich über die Gelegenheit bei diesem Projekt mitmachen zu dürfen. Gebannt schaut er seinem „Tandem“ bei der Arbeit über die Schulter. Sein „Tandem“ – das ist Joka.

Joka – eigentlich Jozsef Lukacs – ist Bildhauer aus Dombovar in Ungarn. Er ist Stammgast bei den Pleinairs in Wilkendorf. Der 54jährige studierte bildende und angewandte Kunst an verschiedenen Berufsschulen, Hochschulen und Universitäten in Ungarn und England und promovierte an der Universität in Pécs. Derzeit arbeitet er an verschiedenen Schulen und Universitäten als Dozent für Holzbildhauerei, unterrichtet aber auch Drucktechniken, wie Holzschnitte und Radierungen.
Joka stellt fest, dass viele seine*r Studenten*innen am liebsten ihre Zeit am Computer verbringen und sich dort, mit Hilfe von Software im „Graphic Design“ profilieren wollen.
Oft fehlt ihnen jedoch die Fantasie. Aber die kommt, wenn man sich an der Natur orientiert - an den Möglichkeiten, die natürliche Materialien bieten. Beim Holz zum Beispiel guckt man erst einmal wie es gewachsen ist, folgt den Strukturen und Faserverläufen und gestaltet seine Skulptur mit dem Holz. Dabei werden zwangsläufig auch die Fantasie angeregt und das Vorstellungsvermögen entwickelt.

Das versucht Joka unserem Auszubildenden beizubringen. Geduldig zeigt er ihm, was im Detail zu beachten ist und wie man die Werkzeuge unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Holzes benutzt.
Joka spricht kein Deutsch. Er verständigt sich mit englischer Sprache. Sascha jedoch kann kein Englisch. Trotzdem verstehen sie sich. Mit Zeigen und Vormachen, direkt am Objekt, gelingt es Sascha die feinen Techniken umzusetzen.

Sascha und Joka freuen sich über dieses Projekt. Der eine über die Möglichkeit, seine handwerklichen Fertigkeiten weiter zu entwickeln und kreativ denken zu lernen – der andere, auf einen jungen Menschen zu treffen, der sich so sehr für seinen favorisierten Werkstoff interessiert und darauf, ihm ein Teil seines Könnens weiterzugeben.
Die beim Pleinair entstandenen Skulpturen konnten sich Besucher*innen am 1. Mai beim „Kunstmarkt im Grünen“ ansehen und erwerben.

Die Idee zu diesem Projekt stammt von Wolfgang Stübner, Bildhauer und Inhaber des Skulpturenparks in Wilkendorf und Veranstalter des Pleinairs. Ihm liegt viel daran junge Menschen zu fördern und dabei insbesondere das Bewusstsein und die Verbundenheit mit der Natur zu entwickeln.
In der Vergangenheit gestaltete Wolfgang Stübner bereits mehrere Projekte mit dem IB. Dazu gehörten Workshops und Schnitzkurse mit Kindern aus geflüchteten Familien und Projekte mit Auszubildenen.
Gemeinsam mit Titus Starke, dem Ausbilder der Fachpraktiker*innen für Holzbearbeitung beim IB, entwickelten Sie die Bausteine des Konzepts „Kunst trifft Handwerk“.
Die Vermittlung des Ausbildungsinhaltes „Umgang mit der Kettensäge“ wurde hier direkt vor Ort mit einbezogen. Nach Erwerb der Berechtigung zum Bedienen dieser Maschine, ergaben sich im Projekt bereits viele Möglichkeiten, das Können in die Tat umzusetzen.
Praxisbezogener kann man eine Ausbildung wohl kaum gestalten.

Das Projekt „Kunst trifft Handwerk“ wurde durch die Plattform "Kulturelle Bildung Brandenburg" gefördert. Dafür bedanken wir uns herzlich!

Carol Neumann

arbeitet als Referent für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit beim IB Berlin-Brandenburg. Seine Schwerpunktthemen sind die Pflege der Homepage, das…

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