In Rathenow, dem westlichsten Standort des IB in Brandenburg, liegt der Fokus auf der Sozialarbeit mit Migrant*innen aller Altersgruppen. Hier sind Mitarbeiter*innen mit großem Engagement, Herzblut und vielen Ideen unterwegs, um den Integrationsprozess geflüchteter Menschen oder Menschen mit Migrationshintergrund zu unterstützen.
Rathenow ist eine Stadt im Landkreis Havelland mit knapp 25.000 Einwohnern. Überregional bekannt ist Rathenow vor allem als „Stadt der Optik“. Diese Bezeichnung hat sie Johann Heinrich August Duncker zu verdanken, der in Rathenow die erste Vielspindelschleifmaschine zur rationellen Herstellung von Brillengläsern entwickelte und damit 1801 die optische Industrie begründete. Während der DDR-Zeit arbeiteten im VEB Rathenower Optische Werke (ROW) mehrere tausend Menschen. Ein Großteil der Länder des RGW wurde von hier aus mit Brillen und optischen Geräten beliefert. Mit der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 brach dies Monopolstellung weg. Heute gehört Rathenow zur Wirtschaftsregion Westbrandenburg. Die optische Industrie spielt nach wie vor eine große Rolle in der Stadt.
Um das zu erfahren traf ich mich mit Claudia Scheddin (JMD), Roland Adam Stas (Fachberatung Migration) und dem Psychologen Dr. Hakim Ben Romdhane.
Seit 2017 hat unsere „Fachberatung Migration“ ein Büro in Rathenow. Im Schnitt haben Aysenur Özer, Mandy Volkmann und Roland Adam Stas, die sich die Aufgaben der Fachberatung im Havelland teilen, 100 Beratungen unterschiedlicher Intensität und Ausprägung – davon 50 Prozent in Rathenow. Sie sind hier im Auftrag des Landkreises unterwegs und beraten sowohl einzelne Personen mit Migrationshintergrund als auch Sozialarbeiter*innen.
Gespräche auf Augenhöhe sind in der Migrationssozialarbeit das A und O.
„Seit Beginn der großen Flüchtlingskrise im Jahr 2015 einstanden in Rathenow und der unmittelbaren Umgebung vier Gemeinschaftsünterkünfte (GU) für Geflüchtete.“, berichtet Stas, „Wir beraten unsere Klienten nicht nur in unserem Büro, sondern oft auch direkt in den GU`s. Dort findet in der Regel der erste Kontakt statt und viele von ihnen sind nicht mobil.“ Die Beratungen beinhalten Themen zum Asyl- und Aufenthaltsrecht, Sozial- und Unterstützungsleistungen aber auch Fragen zu Lebensperspektiven, wie Ausbildung, Schule, Studium und Arbeit.
Einen etwas holprigen Start hatte Claudia Scheddin in Rathenow. Seit August 2020 ist sie hier mit einem Büro des Jugendmigrationsdienstes (JMD) vor Ort. Sie begann also mitten in der Corona-Pandemie mit all ihren Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln. Das sind wahrlich schwierige Bedingungen, um mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Doch sie ist hartnäckig. Inzwischen betreut sie 20 junge Migrant*innen in regelmäßiger Beratung. Sie ist Netzwerkerin mit Leib und Seele und in vielen relevanten Gremien der Stadt unterwegs, knüpft und pflegt Kontakte. „Es ist wichtig den IB, seine Arbeit und seine Werte hier bekannt zu machen,“ schätzt sie ein, „das ist auch für unsere Arbeit vor Ort sehr hilfreich.“
Gemeinsam mit den Verantwortlichen des Jugendhauses „Oase“ der evangelischen Kirche startet sie im Herbst ein Theaterprojekt mit zwölf Jugendlichen – multikulturell gemischt – zum Thema „Rap“. „Perspektivisch möchten wir weitere solche Projekte starten und dabei insbesondere auch Freiräume für Mädchen schaffen.“, sagt sie. Auch mit „demos“, dem Brandenburgischen Institut für Gemeinwesenberatung und der „RAA-Brandenburg“ (Demokratie und Integration Brandenburg e. V.) sind Kooperationen im Rahmen der Schulsozialarbeit geplant. Derzeit arbeitet der JMD mit der Dunker-Oberschule und dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium zusammen. „Wir brauchen hier dringend einen „Respekt-Coach“. Er/sie muss sich als Bindeglied zu den Schulen und Jugendeinrichtungen verstehen“, sagt Scheddin, „Ein Respekt-Coach kann die Kontakte knüpfen und auch unsere Inhalte vermitteln.“ Die Stelle ist ausgeschrieben. Aber sie mit einer geeigneten Person zu besetzen ist gar nicht so einfach.
In Rathenow und Umgebung entstehen große Gewerbegebiete. Viel Mittelstand aber auch größere Unternehmen siedeln sich hier an. Überall werden Fachkräfte gesucht. Perspektivisch wollen Claudia Scheddin und Roland Adam Stas mit den Firmen kooperieren und ihre Leistungen anbieten. „Wir werden direkt von der Wirtschaft angefragt. In vielen Firmen kennen sich die Verantwortlichen zwar mit dem Personalrecht aus, aber beim Asyl- und Aufenthaltsrecht heben sie die Hände.“, sagt Stas, „Ausländische Menschen, die dort arbeiten, sind oft allein gelassen.“ Auch aus dem Industriepark des zwölf Kilometer entfernten Premnitz wird Interesse bekundet. „Sie suchen junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, die dort arbeiten oder sich ausbilden lassen wollen.“, ergänzt Scheddin. Sie schätzt ein, dass diese Kontakte eine gute Möglichkeit sein können um ihre Klient*innen in Ausbildung und Beschäftigung zu bringen.
Die Kolleg*innen des Fachdienstes und des JMD sind froh, dass Ihnen Dr. Hakim Ben Romdhane bei Bedarf zur Seite steht. Er ist Psychologe. „Oftmals ist es notwendig `tiefer zu schürfen`, um Lösungsansätze für schwierige Problemlagen zu finden.“, sagt er. Ben Romdhane spricht außer Deutsch auch Französisch, Englisch und Arabisch. Damit fällt es ihm leichter sich mit den Migrant*innen im Gespräch auf Augenhöhe zu verständigen. Er unterstützt in Gesprächen, gibt Orientierung, führt psychologische Tests durch und erstellt psychologische Berichte.
Auch IB-Kollege Stefan Pietschmann ist mit Migrant*innen unterwegs. Seine Aufgabe ist jedoch nicht die klassische Migrationssozialarbeit. Er betreut, unter anderem auch in Rathenow, junge und ältere Menschen in der assistierten Ausbildung (AsA). 50% der 26 Teilnehmer*innen, die er unterstützt, haben einen Migrationshintergrund. In einem Telefonat erzählte mir Stefan Pietschmann viele interessante Dinge über seine Arbeit. Sie ist sehr komplex - voller individueller Schicksale und Geschichten. Ich habe mit ihm verabredet, diesem Thema einen gesonderten Artikel zu widmen.
In Rathenow liegt der Schwerpunkt der Arbeit des IB derzeit in der Sozialarbeit mit Migrant*innen aller Altersgruppen. Hier sind Kolleg*innen mit großem Engagement, Herzblut und vielen Ideen unterwegs. Ich bedanke mich bei meinen Kolleg*innen für die interessanten Gespräche und wünsche ihnen viel Erfolg, Spaß und Inspiration für ihre weitere Arbeit.
arbeitet als Referent für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit beim IB Berlin-Brandenburg. Seine Schwerpunktthemen sind die Pflege der Homepage, das…
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