Theater gegen Mobbing in Schulen

Anja Meyer 31.10.2022 Lesedauer 3 Min.

Ausgrenzung und Mobbing sind an Schulen trauriger Alltag. Oft bekommen Lehrer*innen allerdings gar nicht mit, was auf dem Schulhof oder im digitalen Raum geschieht. Hier leisten die Respekt Coaches wichtige Arbeit: Sie koordinieren Präventionsangebote für Schüler*innen, um für das Thema zu sensibilisieren und aufzuklären, zum Beispiel in Form von Theaterstücken wie "I Like You" vom Kinder- und Jugendtheater Eukitea.

Die 15-jährige Samira und ihr Freundeskreis surfen, chatten, posten, spielen und shoppen im Internet. Sicher und spielerisch bewegen sie sich in der digitalen Welt und sind dank ihrer Smartphones und Computer ständig vernetzt. Aus Wut und Enttäuschung veröffentlicht Samira eines Tages ein demütigendes Foto von Luke. Das Bild wird weitergeleitet, geliked, kommentiert und verbreitet sich so rasend schnell im Netz. Am nächsten Tag wissen in der Schule alle Bescheid. Plötzlich steht Luke allein da...

Die 50-minütige Theaterproduktion „I Like You“ –2015 mit dem Landespräventionspreis Brandenburg ausgezeichnet – ist für die 7. bis 10. Klassen konzipiert und sensibilisiert für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet. Gleichzeitig macht sie Mut, sich für Toleranz und gegenseitigen Respekt einzusetzen. Ein Stück, das die Fragen, Wünsche, Ängste und Sehnsüchte der jugendlichen Zuschauer*innen ernst nimmt und sie auf Augenhöhe anspricht.

"I Like You" - Theaterstück gegen Cybermobbing vom Theater Eukitea

Ein wesentlicher Grund, weshalb die Respekt Coaches beim Thema Mobbing auf die spielerische Kraft von Theaterstücken setzen und seit 2021 mit dem Theater Eukitea zusammenarbeiten. Gemeinsam mit dem freien Kinder-und Jugendtheater unterstützt der IB Berlin-Brandenburg über das Bundesprogramm „Respekt Coaches“ die Präventionsarbeit an Berliner Schulen, zum Beispiel in der Neuköllner Fritz-Karsen-Schule. Hier war das mobile Spielteam des Theaters am 29. September 2022 eingeladen. Rund 120 Schüler*innen der Klassenstufe 8 verfolgten in der Aula die Theateraufführung rund um Samira, Luke und ihre Freunde.

››Es gibt keine mobbingfreie Klasse. Das schockiert mich immer wieder.‹‹

Was das Schauspiel-Trio auf die Schulbühne und zur Sprache bringt, ist kein Narrativ des Theaters, keine Phantasterei, keine Fiktion. Die Schüler*innen werden gleich in den Bann des Stückes gezogen, denn es handelt von den Lebenswelten der Jugendlichen, vom „echten“ Leben, von den Möglichkeiten und Gefahren der digitalen Welt und von Cybermobbing. „Es ist so ein wichtiges Thema“, sagt Laura Kutschat, die als Respekt Coach an mehreren Schulen in Marzahn arbeitet. So bekämen die Lehrkräfte oft gar nicht mit, was auf dem Schulhof oder außerhalb der Schule passiert. Besonders betroffen macht sie, dass es keine mobbingfreie Klasse gibt. „Das schockiert mich immer wieder.“

Foto: André Müller/Eukitea
Foto: Cristiana Vindice/Eukitea

Laura Kutschat und ihre Berliner Respekt Coach-Kolleg*innen haben schon öfter mit dem Theater Eukitea zusammengearbeitet. So fanden im vergangenen Jahr Aufführungen an der Georg-Klingenberg-Schule und an der Gretel-Bergmann-Schule (beide in Marzahn) statt. Im Stück „Raus bist du!“ für die 4. bis 7. Klassen geht es um Mobbing und Ausgrenzung der Schülerin Sabrina in ihrer Klasse. Beim interaktiven Theaterprojekt „Marco, bist du stark?“ gerät der Teenager Marco zunehmend in eine Extremismus- und Radikalisierungsspirale. Auch wenn die Thematiken der Stücke unterschiedlich gesetzt sind, haben sie eines gemeinsam: Sie machen Mut, weil sie zeigen, dass es Lösungen gibt und dass es lohnt, zusammenzuhalten und sich zu unterstützen. Ergänzend zu ihren Aufführungen stellt Eukitea den Schulen kostenfrei stückbezogenes Arbeitsmaterial zur Verfügung, sodass Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter*innen das Thema (Cyber)Mobbing im Anschluss an die Aufführung vertiefend in ihren Klassen bearbeiten können. Nicht nur die Schüler*innen sind begeistert von den neuen Präventionsangeboten an ihren Schulen und der damit verbundenen Message. Auch die Lehrer*innen fanden die Theaterstücke aus pädagogischer Sicht sehr gut und hilfreich.

Doch die Theaterproduktionen sind „nur ein Teil der Mobbing-Prävention“, wie Adrian de Souza Martins, Respekt Coach in Neukölln, berichtet. Regelmäßig finden Workshops statt, in denen das Thema gemeinsam mit den Schüler*innen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, diskutiert und aufgearbeitet wird. So gibt es eine regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Berliner Verein Cybermobbing Prävention e.V. Auch die Präventionsbeauftragte der Berliner Polizei war schon da und hat einen Workshop an der bekannten Rütli-Schule in Neukölln begleitet.

Ein wesentlicher Ansatz bei diesen Angeboten ist der No Blame Approach. Bei diesem lösungsorientierten Interventionsansatz geht es nicht um Schuldzuweisungen und Bestrafungen der mobbenden Kinder und Jugendlichen. Vielmehr steht die Lösungsfindung im Mittelpunkt, an der eine kleine Gruppe von Schüler*innen – darunter Opfer, Täter*innen sowie neutrale Personen – beteiligt sind. Gemeinsam überlegen sie, wie dem betroffenen Kind geholfen werden kann. In der Gruppe sammeln die Schüler*innen Ideen und erarbeiten Lösungen, wie die Klasse künftig mit dem Thema Mobbing umgehen möchte. Es werden auch Möglichkeiten aufgezeigt, wo man sich in der Schule Unterstützung und Beratung holen kann.

In Deutschland haben geschätzt rund 500.000 Schüler*innen regelmäßig und wiederholt Erfahrungen mit Mobbing machen müssen. Laut der 2017 veröffentlichten PISA-Studie der OECD ist in Deutschland jede*r sechste Schüler*in im Alter von 15 Jahren betroffen. Die Nachfrage bei den Lehrkräften ist entsprechend groß, wenn es ums Thema Mobbing in den Klassen geht. Bekommen sie die systematische Ausgrenzung, Beleidigung und Bedrohung einzelner Kinder mit, stehen Lehrer*innen dem Treiben zunächst hilflos gegenüber. Sie wünschen sich mehr präventive Angebote und Fortbildungen in diesem Bereich. Trotz des großen Bedarfs ist der Markt offenbar noch nicht da, wie Adrian de Souza Martins erzählt: „Wir sind dabei, eigene Präventionsangebote zu konzipieren und umzusetzen, weil es noch viel zu wenig Angebote in diesem Bereich gibt".

"Marco, bist du stark? - Theaterstück zur Prävention von Gewalt, Extremismus und Radikalisierung

Umso hilfreicher ist es, dass es die Angebote des Eukitea-Theaters gibt, das die Sprache der Jugendlichen spricht. Der Stückentwicklung von „I Like You“ ging eine intensive Workshop-Phase mit Schüler*innen des Filmgymnasiums Babelsberg und der Neuen Gesamtschule Babelsberg voraus. Fachlich begleitet wurde sie von der Aktion Jugendschutz Landesarbeitsstelle Bayern e.V. Der Landespräventionsrat Brandenburg und die DKB Stiftung für gesellschaftliches Engagement unterstützten das Theaterstück finanziell.

Wir freuen uns weiterhin auf die Zusammenarbeit und auf neue Theaterstücke, die Schüler*innen und Lehrer*innen dabei helfen, gemeinsame Lösungen für Mobbing-Probleme in ihren Klassen zu finden.

Anja Meyer

war als Referentin für Kommunikation und Marketing sowie als Pressesprecherin beim IB Berlin-Brandenburg tätig. In dieser Funktion kümmerte sie sich um die…

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