Doremi singt für den Frieden

„Kein Krieg hat einen Sinn. Jeder ist eine menschliche Dummheit ...." , als ich zur Vorbereitung auf mein Gespräch mit Dr. Hakim Ben Romdhane sein 2020 erschienenes Fabelbuch las, beeindruckte mich dieser Satz in seiner so treffenden, direkten und auch einfachen Wortwahl. Als ich Hakim persönlich traf, gewann der Satz aber eine neue Dimension. Er ist Ausdruck einer tiefen Überzeugung und bildet nicht zuletzt die Grundlage seiner persönlichen und kraftvollen Arbeit mit einer besonderen Zielgruppe und der daraus resultierenden Konzeption eines eigenen Fabelbuches.
Zunächst aber ein kleiner Einblick in die Art und Grundsätze seiner derzeitigen Arbeit.  

Hakim Ben Romdhane arbeitet als Psychologe in verschiedenen IB Beratungsfachdiensten Migration in Brandenburg. Hier unterstützt er vorwiegend geflüchtete Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund darin, sich zunächst grundlegend in einem fremden Gesellschaftssystem und einer anderen Kultur zu orientieren. Diese Orientierung ist der Anfang, um den Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu finden. Sein Schwerpunkt ist dabei die psychologische Dimension und deren Dynamik. Integration ist ein langer und sehr schwieriger Prozess, weil er oft mit der Angst verbunden ist, die eigene Identität zu verlieren oder aufgeben zu müssen. Wer bin ich, wer darf ich hier sein, wer oder was muss ich sein? Das sind existentielle Fragen, auf die es niemals einfach Antworten geben kann. Insbesondere psychisch stark belastete Menschen sind oft nur oberflächlich erreichbar. Um sich diesen Herausforderungen zu stellen, beschäftigt sich Hakim schon lange und intensiv mit dem Erkennen von und der Arbeit mit Traumata sowie der Komplexität psychischer Krankheitsbilder. 

Solche Kinder weisen oft psychische Symptome auf und können unter einem Trauma leiden. Allerdings ist es äußerst schwierig, dieses Thema mit ihnen anzuschneiden. Oft wird hier in der psychologischen Arbeit der direkte Weg gewählt. Also die Frage nach dem „Was ist passiert?“. Diesen Ansatz hält Hakim Ben Romdhane jedoch für wenig hilfreich und erläutert das so: "Ein Trauma zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es das „Sich Erinnern“ und somit auch die Sprache blockiert. Also braucht es andere Ansätze, leichtere Zugänge zur erlebten Vergangenheit. Hier können Märchen oder Fabeln helfen."
Eben da setzt das Konzept für sein Fabelbuch an. Die zunächst einfache, kurze Geschichte und ihre Bilder können eine Brücke zu Erlebnissen sein, über die das Kind nicht reden will oder kann. „Doremi singt für den Frieden“ hat für sich genommen keinen direkten Bezug zu irgendeiner spezifischen Erinnerung, ist aber in Bild und Text so konzipiert, dass es einen projektiven Prozess ermöglicht. Schon während die Geschichte vorgelesen wird, kann der Psychologe oder die Psychologin die Reaktionen und das Verhalten der Kinder beobachten. An geeigneten Stellen sollen die Kinder erzählen, wie die Geschichte aus ihrer Sicht weiter geht oder eigene Bilder zur Geschichte malen. So haben sie die Möglichkeit, sich selbst verbal auszudrücken und ihren eigenen Bildern mit Worten, Farben und Stiften Raum zu geben. Die Kinderzeichnungen sind ebenso wie die Erzählungen oft sehr aussagekräftig und geben weitere Aufschlüsse zu den Erinnerungen des Kindes.

Die psychologische Arbeit mit Hilfe der Fabel

Um aus psychologischer Sicht mit den Kindern anhand der Fabel zu arbeiten, braucht es eine definierte Vorgehensweise und Kriterien, die sich objektiv und vergleichbar analysieren lassen. Hierzu hat Herr Romdhane zum Fabelbuch ein Begleitheft entwickelt, das die Arbeit in einen strukturierten Rahmen setzt. Als Fabeltest verfolgt das Buch 3 Ziele, die kognitiven Fähigkeiten und kreativen Potentiale des Kindes anregen, eine Aussprache - im wahrsten Sinne - über ihre Erlebnisse einleiten und ein vorhandenes Traum identifizieren. Diese Identifikation stützt sich darauf, dass eine Beeinträchtigung sich in wiederum drei Symptomen manifestiert: Wiedererleben des Geschehenen - Vermeidung der Erinnerung - Übererregung und Überstimulierung.

Der Ablauf ist entgegen der hier zu weit führenden psychologischen Fachtermini recht einfach. Die Geschichte wird in festgelegten Abschnitten vorgelesen. Die Kinder dürfen dann die Geschichte, deren weiteren Verlauf sie nicht kennen, aus ihrer Vorstellung weiter erzählen. Zudem werden ihnen vorgegebene Fragen gestellt, die auf die Empfindungen zur Geschichte und den Charakteren abzielen. Beispielsweise: Wie zufrieden ist der Kanarienvogel in dieser Situation? Die Bilder des Buches werden gemeinsam betrachtet und von den Kindern beschrieben.

Jetzt geht es an die Königsdisziplin, die erhoffte Analysierbarkeit. Mit einem - nicht allein in der Psychologie genutzten - Mittel, der "Scala von 0 bis 10", werden einzelne Kriterien wie die Häufigkeit ähnlicher Antworten, die Wahrnehmung in Bezug auf Farben, Formen, Bewegungen und Details, die Konzentration auf inhaltsspezifische Merkmale u.a. bewertet. Am Ende der Geschichte werden die Scalen gemeinsam mit den Beobachtungen von Reaktion und Verhalten und den Kinderzeichnungen der psychologischen Fachexpertise unterzogen. Gemäß Herrn Romdhane gibt die Auswertung bereits gute Hinweise auf Art und Ausprägung einer psychologischen Beeinträchtigung. Daraus abzuleiten sind dann die nächsten Schritte, um den Verarbeitungsprozessen einen Weg öffnen und den Verdrängungsmechanismen die Kraft nehmen zu können.

"Doremi singt für den Frieden"

Märchen als Fabel-Test in 5 Sprachen
arabisch - deutsch - englisch - französich - russisch

Autor Dr. Hakim Ben Romdhane
Illustriert von Marie Jopp-Keating
erschienen 2020 im Verlagshaus Schlosser
Gefördert vom Deutsches Kinderhilfswerk e. V