Schulbegleiterin in Brandenburg

Anja Meyer Andrea Zimmer und Anja Meyer 21.03.2022 Lesedauer 3 Min.

Für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten sind Schulbegleiter*innen eine wichtige Stütze im Unterricht. Auch beim IB Berlin-Brandenburg sind mehrere Schulbegleiter*innen tätig. Eine von ihnen ist Anne Nowak. Sie arbeitet an der Oberschule in Brandenburg an der Havel und begleitet dort den 13-jährigen Jason.

Anne Nowak ist ausgebildete Krankenschwester. Nach mehreren Jahren in ihrem Beruf, vielen Schicht- und Wochenenddiensten fasste sie den Entschluss, sich beruflich neu zu orientieren. Das war vor vier Jahren, als sie beim IB Berlin-Brandenburg als Schulbegleiterin in der Region Brandenburg Nordwest anfing. Parallel absolvierte sie in den letzten drei Jahren eine berufsbegleitende Ausbildung zur Erzieherin und konnte sich im pädagogischen Bereich weiterbilden.

Vor einem Jahr kam sie an die Oberschule in Brandenburg an der Havel und begleitet seitdem den 13-jährigen Jason. Er ist häufig unkonzentriert und kann dem Unterrichtsstoff nicht lange folgen. Aufgrund der Überforderung durch Lärm oder den Schulstoff sowie seiner geringen Frustrationstoleranz reagiert er in seinem Sozialverhalten oft nicht angemessen. Deshalb bekommen Schüler wie Jason im Schulalltag Unterstützung von sogenannten Schulbegleiterinnen und Schulbegleitern (auch Schulassistenten oder Integrationshelfer genannt). Sie helfen den Kindern und Jugendlichen dabei, den Schulalltag zu strukturieren und ihre Arbeitsmaterialien in Ordnung zu halten, sie bieten Hilfestellung bei den Aufgaben im Unterricht und bei der Koordination der Hausaufgaben. Gleichzeitig achten sie darauf, dass der Unterricht nicht gestört wird, und unterstützen bei der Konfliktbewältigung mit anderen Schüler*innen.

Die Schulbegleitung ermöglicht, dass die Kinder und Jugendlichen im normalen Umfeld in der Klasse aufgefangen werden. Situationen, die zu einer sozialen Eskalation oder einer grundsätzlichen Lern- bzw. Schulverweigerung führen könnten, werden schon im Entstehungsprozess konstruktiv aufgelöst. Die Schüler*innen bleiben somit immer ein Teil des Systems, ohne an den Rand zu rutschen. Lehrer*innen könnten diese individuelle und präventive Betreuung im Rahmen des regulären Unterrichts nicht leisten.

››Die Chemie zwischen Jason und mir stimmt. Aber es gibt auch mal Phasen, wo es nicht so gut läuft.‹‹

Für Jason und Anne Nowak war die Anfangszeit nicht ganz leicht: Jason musste sich erst einmal an seine neue Schulbegleiterin gewöhnen und Vertrauen zu ihr aufbauen. Inzwischen haben beide eine vertrauensvolle Basis geschaffen: "Die Chemie zwischen Jason und mir stimmt", sagt Anne Nowak. "Mittlerweile kommt er auch von selbst auf mich zu." Und auch Jason ist dankbar für die Unterstützung im Unterricht. Er weiß, dass er oft unruhig und laut wird, insbesondere wenn er etwas nicht versteht. Dann stört er den Unterricht und somit auch sich selbst. In diesen Situationen ist die Schulbegleiterin eine wichtige Stütze, auf die er sich immer verlassen kann. Jason vertraut ihr und nimmt ihre Beratung und auch strenge Kritik an: „Allein, dass sie da ist und mich immer wieder auch beruhigt, wenn ich laut werde, hilft mir sehr. Ich kann mich immer an Frau Nowak wenden. Sie lässt mich aber auch in den Pausen alleine, damit ich mit meinen Freunden Zeit verbringen kann." Im Umgang mit Jason ist Anne Nowak sehr klar und beherrscht die professionelle Distanz trotz all der Nähe sehr gut. Das ist auch für Jason extrem wichtig: Sie ist keine Freundin oder nette Bekannte, sondern eine Begleitung, die ihm hilft den Schulalltag inhaltlich wie sozial bestmöglich zu meistern. Deshalb duzt er seine Schulbegleiterin auch nicht.

Jeden Morgen treffen sich Anne Nowak und Jason in der Schule. Während der gesamten Unterrichtszeit ist die Schulbegleiterin bei ihm bzw. für ihn verfügbar. Sie hält sich im Hintergrund auf, da Jason wie alle anderen neben einem anderen Schüler sitzt. Wenn er Fragen hat oder sie merkt, dass er etwas nicht versteht oder unruhig wird, nimmt sie Kontakt auf, beruhigt ihn und erklärt nochmal ganz in Ruhe die Aufgabenstellung. Das ist ein ganz normaler Ablauf und stört den Unterricht überhaupt nicht. Normal ist die Anwesenheit der Schulbegleiterin auch für die Mitschüler*innen. "Ich wurde sehr gut aufgenommen in der Klasse und gehöre einfach mit dazu.", erzählt Anne Nowak. Hänseleien gegenüber Jason gibt es nicht. Vielmehr würden sich laut Anne Nowak einige der Schüler*innen ebenfalls mehr Unterstützung und Zuwendung wünschen, denn Jason ist nicht das einzige Kind in der Klasse, das Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten hat.

Doch nicht alle Schüler*innen haben einen Anspruch auf diese Art von Unterstützung. In der Regel erhalten Kinder mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen, sozial-emotionalen Störungen oder mit bestimmten Krankheiten eine Schulbegleitung. Das können beispielsweise Kinder und Jugendliche mit Formen von Autismus oder ADHS sein. Ob ein Bedarf bzw. eine Notwendigkeit besteht, diagnostizieren Lehrer*innen, aber auch Ärzte*Ärztinnen. Gemeinsam mit den Eltern wird dann besprochen, wie das Kind bestmöglich unterstützt werden kann. Anschließend müssen die Eltern einen Antrag beim Sozialamt oder beim Jugendamt stellen, welches den Bedarf prüft und bewilligt. Die vom Sozial- oder Jugendamt finanzierte Schulbegleitung ist eine ambulante Leistung der Jugendhilfe (Sozialgesetzbuch SGB), weshalb für Eltern und Familien keine Kosten anfallen.

Warum die Schüler*innen eine Begleitung benötigen, wissen die Schulbegleiter*innen anfangs zunächst nicht. Erst in Gesprächen mit dem Kind und seinen Eltern erfahren sie mehr über die Schwierigkeiten, die es im Schulalltag hat. Doch die Kommunikation mit den Familien ist nicht in jedem Falle problemlos möglich. Nur in Ausnahmefällen besuchen sie den Schüler oder die Schülerin und die Eltern zuhause; persönliche Gespräche finden nur selten statt. Anne Nowak hält den Kontakt zur Familie überwiegend telefonisch und per Kurznachrichten, zum Beipsiel um noch einmal an die Hausaufgaben oder den geplanten Schulausflug zu erinnern. Besonders schwierig empfand sie die Lockdown-Phasen, als die Schulen schließen und auf Homeschooling oder Wechselunterricht umstellen mussten. Für Kinder wie Jason war das keine einfache Zeit. Über verschiedene Medien versuchte Anne Nowak den Kontakt zu Jason zu halten und ihn beim Distanzlernen so gut es ging zu unterstützen.

››Ich merke, dass ich mit meiner Arbeit etwas bewirken kann.‹‹

Trotz solcher Schwierigkeiten liebt Anne Nowak ihre Arbeit, weil sie ein gutes Verhältnis zu Jason aufbauen und innerhalb des Jahres Fortschritte bei ihm feststellen konnte: So kann er sich inzwischen besser im Unterrricht konzentrieren und seine Emotionen besser selbst regulieren. Auch der Umgamg mit seinen Mitschüler*innen hat sich verbessert und er konnte sich gut in die Klasse integrieren. Mit Jason führt die Schulbegleiterin regelmäßig Reflektionsgespräche und gibt ihm positives Feedback.

Anne Nowaks Bilanz nach einem Jahr Schulbegleitung lautet: "Es gibt gute Phasen, aber es gibt auch mal Phasen, wo es nicht so gut läuft. Insgesamt merke ich, dass ich mit meiner Arbeit etwas bewirken kann und das gibt mir ein positives Gefühl." Bis Ende des Schuljahres wird sie Jason noch unterstützen, danach endet die zeitlich befristete Schulbegleitung. Damit Jason auch im kommenden Schuljahr eine Begleitung erhält, muss die Familie erneut einen Antrag stellen.

Für Anne Nowak endet die Tätigkeit als Schulbegleiterin zum Ende des aktuellen Schuljahres. Im Juni 2022 schließt sie ihre berufsbegleitende Ausbildung zur Erzieherin ab und möchte danach gerne im erzieherischen Bereich tätig werden. Wo und in welcher Einrichtung steht noch nicht fest.

Wir wünschen Anne Nowak und Jason alles Gute für die Zukunft.

Für die Arbeit von Schulbegleiter*innen interssierte sich auch eine Journalistin des rbb und begleitete Anne Nowak und Jason einen Vormittag lang mit der Kamera. Der Fernsehbeitrag, der am 15. März 2022 in der Sendung "Brandenburg aktuell" gesendet wurde, ist in der Mediathek des Senders leider nicht mehr verfügbar. Wir hätten ihn gerne gezeigt.

Anja Meyer

war als Referentin für Kommunikation und Marketing sowie als Pressesprecherin beim IB Berlin-Brandenburg tätig. In dieser Funktion kümmerte sie sich um die…

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