Freiwilliges Soziales Jahr - so läuft's im IB

Carol Neumann 27.07.2021 Lesedauer 3 Min.

Josi ist 20 Jahre alt und aktuell FSJlerin in der Berufsschule des IB in Neuenhagen. Mit dem Wunschstudium hatte es nach dem Abitur nicht geklappt. Um die Zeit zu überbrücken, bewarb sie sich für ein FSJ - eine Notlösung. Ihre Erwartungen waren daher nicht besonders hoch. Warum der Freiwilligendienst für Josi zum Besten wurde, was ihr passieren konnte, erzählte sie uns im Gespräch.

In einem „Freiwilligen Sozialen Jahr“ (FSJ) helfen junge Menschen in sozialen Einrichtungen. Von Altenhilfe, Kindergarten über Krankenhaus, Kultur und Technik – die Einsatzbereiche im FSJ sind vielfältig und somit ist für jede*n etwas dabei. Das FSJ ist ein praktisches Bildungs- und Orientierungsangebot, das seit über 50 Jahren besteht. Anders als der Name vermuten lässt, muss ein Freiwilliges Soziales Jahr nicht ein Jahr dauern, sondern kann in sechs bis 18 Monaten absolviert werden.

Nach dem Abitur direkt in den Freiwilligendienst

Dieses Jahr war für unsere Freiwilligen anders. Pandemiebedingt gab es viele Einschränkungen in der täglichen Arbeit in den Einsatzstellen. Auch die im FSJ enthaltenen Seminarwochen mussten anders gestaltet werden. Kreativität war gefragt. Um zu erfahren, wie es in diesem Jahr lief und ob sich ein solches Jahr überhaupt lohnt, traf ich mich mit Josephine Lehmann, die beim IB Berlin-Brandenburg gerade ein FSJ absolviert, und Astrid Ahner, die unsere FSJ-Teilnehmer*innen in der Region Brandenburg Nord- und Südost betreut.

Josi (so darf ich sie nennen) ist 20 Jahre alt. Nachdem sie ihr Abitur bestanden hat, bewarb sie sich an den Berliner Unis um ihren Wunschberuf zu studieren: Sie möchte Lehrerin werden. Am liebsten für Biologie und Geschichte. Doch im ersten Anlauf klappte es nicht mit dem Studienplatz. Berlin ist eine beliebte Stadt für Studierende; die Studienplätze sind knapp – insbesondere für ihre gewünschte Fächerkombination. Doch was nun? Zuhause sitzen und warten? Wie war das noch mal mit einem Freiwilligendienst? Viele Fragen gingen Josi durch den Kopf. Von einer Freundin, die bereits ein FSJ absolvierte, erfuhr Josi wie das so läuft. Die Freundin empfahl den IB und schlug ihr vor, doch mal mit Astrid Ahner Kontakt aufzunehmen. Das tat sie dann auch.

Freiwilliges Soziales Jahr in der Berufsschule

Nun ist Josi bereits neun Monate dabei. Ihrem Berufswunsch entsprechend absolviert sie ihr FSJ an der Beruflichen Schule des IB in Neuenhagen. Dort begleitet und unterstützt Josi die Lehrerin Sarah Schlippes. „Das war schon nicht einfach. In der ersten Klasse, mit der ich es zu tun bekam, waren fast nur Jungs. Zum Teil im gleichen Alter wie ich. Natürlich gab es anfangs Gegenwind und abweisende Haltungen.“, erzählt sie. Die Schüler*innen nehmen überwiegend an der Berufsvorbereitung teil. Josi war verwundert, wie ausgeprägt die Förderschwerpunkte bei vielen von ihnen sind. Einige brauchen individuelle Begleitung im Unterricht. „Ich habe mich einfach zu ihnen gesetzt und, z.B. im Mathe-Unterricht, bei den Lösungswegen geholfen.“
Inzwischen hat sie viele Schüler*innen kennengelernt – ihre Geschichten und Lebensläufe. Sie alle haben sehr individuelle Eigenheiten. Aber das macht sie für Josi sympathisch.

»Das FSJ war das Beste, was mir passieren konnte.«

Josi arbeitete mit den Schüler*innen in vielen Projekten. Eins davon behandelte die Themen „Alkohol“ und „Sucht“. Manche der jungen Menschen konnten hierzu durchaus persönliche Erfahrungen einbringen. Aber auch Themen wie „DDR – BRD“ oder „Anne Frank und der Holocaust“ hat sie in Projekten mit den Schüler*innen aufgearbeitet. Im Gegensatz zum Projekt „Alkohol“ war der Wissensstand in Bezug auf die deutsche Geschichte nur sehr dürftig.

Josi findet es interessant, komplizierte und vermeintlich trockene Themen so aufzubereiten, dass sie leicht verständlich und interessant rüberkommen. Durch den pandemiebedingten Teilungsunterricht waren die Gruppen nicht so groß. Das machte es etwas einfacher. Josi konnte in der Berufsschule viele Erfahrungen sammeln – und viel lernen. „Ich bin jetzt viel geduldiger als vorher.“, sagt sie. „Aber wenn du Schüler*innen in einer Gruppe etwas beibringen willst, musst du auch lernen Autorität zu zeigen und dich durchzusetzen.“ Viele von ihnen sind tatsächlich benachteiligt – und das in mehrfacher Hinsicht. „Manchmal muss ich auch aufpassen, dass ich ihre Probleme nicht ‚mit nach Hause‘ nehme.“, erzählt Josi.

Für Josi wird es eine große Umstellung sein, wenn ihre Zeit an dieser Schule zu Ende ist. Die Schüler*innen sind ihr sehr ans Herz gewachsen. Das Feedback vom Lehrerkollegium und von den Schüler*innen auf ihre Arbeit ist durchweg positiv. „Die Schule hier bietet den Schüler*innen einen Ort, an dem sie respektiert und nicht angeschrien werden. Für einige ist das eine neue Erfahrung.“, resümiert sie. Wahrscheinlich wird Josi im Oktober ihr Studium beginnen. Sie will noch immer Lehrerin werden. Aber jetzt ist die Fachrichtung eine andere: Es wird Sonderpädagogik!

Freiwillige soziale Arbeit trotz Corona

Seit nunmehr fünf Jahren begleitet IB-Mitarbeiterin Astrid Ahner die Freiwilligen. Zuerst in Brandenburg Nordost und nun auch in der Region Brandenburg Südost. Seit zwei Jahren steht ihr Kollege Marc Schiffers dabei zur Seite. Die Akquise von Freiwilligen gestaltete sich in diesem Jahr sehr kompliziert. Informationsveranstaltungen an den weiterführenden Schulen waren nicht möglich. Es blieben nur Pressearbeit, Kleinanzeigen und Plakataktionen in den Einsatzstellen. „Wir haben auch ein Video erstellt. Darin haben wir die Inhalte aufbereitet, die wir normalerweise in den Schulen vermitteln.“, erzählt Astrid Ahner. Im Schnitt betreuen sie 60 Freiwillige pro Jahr. „Wir können unseren Freiwilligen zirka 100 Einsatzstellen anbieten. Und es werden immer mehr, weil wir in der Region immer bekannter werden.“, freut sie sich.

Auch die obligatorischen Seminare waren in diesem Jahr eine Herausforderung. Fast alle Präsenz-Veranstaltungen mussten pandemiebedingt ausfallen. Lediglich das Seminar „Erste Hilfe“, der Ausflug in den Kletterpark im Oktober 2020 und jetzt, im Juli, der Abschlusstag des Jahrgangs konnten in Präsenz stattfinden. Alle anderen Themen mussten für Online-Veranstaltungen aufbereitet werden. Zum Beispiel konnten sich die Freiwilligen im Seminar „Wenn ich mal regieren könnte…“ mit Hilfe eines „Kanzler-Simulators“ eine*n Kanzler*in erschaffen, die/der mindestens eine Legislaturperiode gut regieren muss, der/dem jedoch immer wieder durch unvorhergesehene Ereignisse Steine in den Weg gelegt werden. Auch die Bundestagswahl wurde simuliert.

„Eine konkrete Planung der Seminare für das nächste Jahr ist kaum machbar.“, sagt Ahner. „Alles hängt davon ab, wie sich die Corona-Situation entwickelt.“ Lediglich die Abschlussfahrt für 2022 sei bereits geplant. Derzeit gibt es deutschlandweit eine Diskussion darüber, ob und wie man im FSJ weiter Online-Seminare veranstalten darf. „Denkbar sind sogenannte Hybrid-Seminare – ein Teil der jungen Leute nimmt in Präsenz teil und die anderen schalten sich online dazu.“, erzählt sie weiter.

Auch inhaltlich läuft jedes Seminar-Jahr anders: „Es gibt immer neue, aktuelle Themen und neue Referent*innen. Auch die Wünsche unserer FSJler*innen spielen eine große Rolle.“ Astrid Ahner konnte in diesem Jahr feststellen, dass die Teilnahme an den Online-Seminaren überdurchschnittlich hoch war. „Selbst einige, die eigentlich krank gemeldet waren, nahmen teil. Was jedoch komplett fehlte, war der informelle Austausch unter den Freiwilligen, die Pausengespräche. Das war sehr schade.“ Das bestätigt auch Josi und lobt gleichzeitig: „Astrid und Marc waren im FSJ richtig gute Begleiter; sie waren immer erreichbar. Es war interessant und beeindruckend, wie sie die Seminarthemen digital umgesetzt haben.“

Abschließend komme ich noch einmal auf meine eingangs gestellte Frage zurück: „Lohnt sich denn so ein Jahr?“ Josi gibt mir die Antwort – und ich gebe sie 1:1 wieder: „Angangs war ich komplett gegen ein FSJ. Ich betrachtete es als Notlösung weil es nicht gleich mit einem Studienplatz klappte. Aus heutiger Sicht war es das Beste, was mir passieren konnte. Jeder sollte, bevor er eine berufliche Laufbahn einschlägt oder ein Studium beginnt, einen Freiwilligendienst machen. Ich würde zum Beispiel allen, die Lehrer*innen werden wollen, ans Herz legen vorher zu gucken, worauf sie sich einlassen. Dafür ist so ein FSJ ideal!“

 

 

Anprechpartner*innen für Freiwilligendienste beim IB Berlin-Brandenburg

FWD Brandenburg Nordwest
Anke Voss-Kiiewsky

FWD Brandenburg Nordost/Südost
Astrid Ahner

FWD Potsdam und Teltow-Fläming
Babett Damberg

FWD Berlin
Daniela Nitschke

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