Potsdamer Kitas: Verpflegung mit Konzept

Andrea Zimmer 19.05.2022 Lesedauer 4 Min.

Die Verpflegung von Kitakindern ist zweifelsohne ein komplexes Thema und stellt eine Kita oft vor zusätzliche Herausforderungen. Die Region Potsdam stellt sich dieser Herausforderung auf ganz besondere Weise mit einem ebenso besonderen Konzept. Das Ziel ist leicht formuliert: Alle Kinder der Potsdamer IB Kitas kommen in den Genuss einer einheitlichen, ganzheitlich ausgewogenen und qualitativ wertvollen Verpflegung. Ach ja, nicht zu vergessen: Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit werden ebenfalls groß geschrieben und spätestens jetzt wird deutlich, dass der Weg zum Ziel keineswegs leicht sein wird.

Wie viele gute Projekte, beginnt auch das „Verpflegungskonzept“ zunächst mit einem Wunsch, einer  Idee und einem ersten Gespräch. Susanne Christopoulos, Regionalleiterin für Potsdam, liegt das Geschäftsfeld „Kinderbetreuung“ sehr am Herzen, schließlich hat sie in ihrer Region Potsdam vier Kindertagesstätten und drei Horte zu verantworten. Für sie ist die Ernährung der Kinder ein wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit und daher braucht es ein Konzept, das die Kinder in den Mittelpunkt stellt und ihnen die Chance eröffnet, dem gemeinsamen Essen mit Freude, Neugier und Offenheit zu begegnen.

Wunsch und Idee liegen also auf dem Tisch, jetzt ist guter Rat oder besser noch eine fachkundige Beratung gefragt. Susanne Christopoulos nimmt Kontakt zum IB Küchenbetrieb in Stralsund auf. Von den Profis lernen! -  denn Betriebsleiter und Küchenchef Nico Bothe ist ein Allrounder mit viel Expertise. In ihm vereinen sich über 20 Jahre Erfahrung, Know-How eines Kaufmannes, Fingerspitzengfühl eines Koches und eine ganz besondere Portion Leidenschaft für die Komplexität von „Verpflegung“. Dem Telefonat folgt ein Besuch, Nico Bothe kommt nach Potsdam und begutachtet zunächst die Küche der größten Potsdamer IB Kita „Sportakus“, denn hier (ent)steht die zentrale Produktionsküche.

Die Zutaten für ein perfektes Konzept bringt Nico Bothe dank seiner Betriebserfahrungen bereits mit, jetzt aber heißt es die Einzelkomponenten auf die Bedingungen und Umsetzbarkeit vorOrt anzupassen. Wie viele Kinder sollen verpflegt werden, welche Kitas sind zu beliefern, was bedeutet das für die Kitaleitung und Erzieher*innen vor Ort, wie wird der Einkauf geregelt, was ist für eine gute Verpflegung zu beachten ??? …. Viele Fragen, und jede Antwort folgt stets den Gesichtspunkten von Qualität, kindgerechter Ernährungsphysiologie, Lebensmittelchemie, Nachhaltigkeit und Logistik. Ach ja, das Essen soll auch richtig gut schmecken, Spaß machen und die ein oder andere überraschende Erfahrung bereit halten. „Boah“ - „Schluck!“ stünde jetzt als Ausdruck einer schwer zu bewältigenden Aufgabe in einer Sprechblase von Disneys Comicfiguren.

Zurück auf den Boden der Tatsachen und dort ist die Konzeptarbeit für Nico Bothe glücklicherweise ein ganzheitlich durchdachtes Handwerk und kein Zauberwerk voller Überraschungen. Doch das beste Konzept bleibt lebloses Papier, wenn es nicht in die Tat umgesetzt werden kann, weil eine entscheidende Zutat fehlt: Der Mensch, der all den viel durchdachten Worten auch Taten folgen lassen kann. Planung – Einkauf – Kochen – Anleitung – Logistik – Kommunikation und ein gutes Verständnis für Ökotrophologie, die ausgewogene Verbindung von Ernährungs- und Haushaltswissenschaft. Hier fließt das Wissenschaftliche aber nicht in eine Dissertation auf dem Papier sondern muss im besten Falle wie selbstverständlich im Küchenalltag Platz nehmen. Es braucht also jemanden, der Vieles kann und alles gerne tut. Nichts leichter als das - haha!

Die Suche nach dem*der Richtigen war natürlich keineswegs leicht, aber dann doch erfolgreich. Mit Torsten Hinze war der Allrounder mit Leidenschaft und dem passenden Spirit gefunden, da waren sich Frau Christopoulos und Herr Bothe ebenso einig wie sicher. Warum der versierte Koch diese Arbeit für die vielen Kitakinder der Arbeit in einer Restaurantküche vorzieht, beantwortet Torsten Hinze ohne viel Überlegung.

„Corona hat die Gastronomie in eine sehr instabile Lage versetzt. Die Arbeitsbedingungen werden somit um ein weiteres schwieriger. Ich habe als Koch sehr viele Stationen durchlaufen, die für das Können und die Erfahrung wichtig sind. Ob Sternerestaurant oder Landgasthof, Kreuzfahrtschiff oder Betriebskantine, überall gibt es andere Anforderungen und Herausforderungen. Inzwischen aber sind mir Stabilität sowie verlässliche und familienfreundliche Arbeitszeiten sehr wichtig geworden. Es ist an der Zeit, irgendwo anzukommen und zu bleiben. Da bin ich und ich bleibe auch gern, denn die Umsetzung des ganzen Konzeptes und das Kochen für die kleinen Gäste ist eine großartige Aufgabe.

Im Mai 2021 geht es also in die nächste Phase. Torsten Hinze ist mit von der Partie und passt gemeinsam mit Nico Bothe das Konzept an die Potsdamer Kitabedarfe und –bedingungen an. Sie denken, prüfen, feilen, bauen ein Netzwerk zu Lieferanten auf und endlich geht es an die Umsetzung. Mit Stand 2022 können alle Beteiligten bereits auf ein stolzes Ergebnis und einen wahrlich vorzeigbaren oder besser genüsslichen Status Quo blicken.

Täglich werden nun in der Produktionsküche "Sportakus" von Torsten Hinze, einem weiteren Koch und einer Küchenhilfe zwischen 500 und 600 Mittagessen gekocht - je nach Anzahl der belegten Kitaplätze. Gekocht wird für die Kita Sportakus selbst, die bei Vollauslastung 300 Kinder ihre Gäste nennen darf. Darüber hinaus werden die Kita Nuthewinkel, das Kinderhaus Montessori und die Schatzinsel mit einem Mittagessen beliefert und dort von entsprechend geschultem Personal ausgegeben. Frühstück und Vesper werden in jeder Kita selbst vorbereitet, allerdings unterliegt die Auswahl an Speisen ebenfalls dem Gesamtkonzept – also der bereits von Torsten Hinze ausgearbeiteten Speisekarte. Wer jetzt Hunger hat, der überspringt lieber die nächste Passage, denn der Auszug aus diesem Speiseplan klingt echt lecker und sieht auch so aus. .

Geplant wird die Speisekarte jeweils für vier Wochen im Voraus. Das ist nicht allein notwendig, was die Bestellung der benötigten Lebensmittel angeht, sondern dieser Zeitraum ist im Sinne einer ernährungsphysiologischen Ausgewogenheit unablässig. Wir wissen doch alle nur zu gut, wer an einem Tag seine Portion Vollkorn, Gemüse, Obst und Eiweiß isst, sich an den folgenden Tagen aber mit Tiefkühlpizza, Fastfood und Schokoriegel anfreundet, ist von einer ausgewogenen Ernährung weit entfernt. Der Körper braucht viel, aber nicht alles an einem Tag, also braucht es einen längerfristigen Plan, bei dem sich Vitamine, Mineralien, Ballaststoffe, Fette und Co in ausgewogener Menge und abgewogener Grammatur zu köstlichen Kombinationen verbinden lassen. Vielseitig, abwechslungsreich, bunt und lecker. 

Das Konzept dahinter hier in einer Kurzfassung, die das Ausmaß der Planungskomplexität aber mehr als deutlich vor Augen führt.
► Die Bedürfnisse der Kinder stehen im Vordergrund
► Wir achten auf Allergien und Unverträglichkeiten
► Der Speiseplan gewährleistet vielfältige Speisen aus aller Welt
► Wir achten auf kulturelle und religiöse Bedürfnisse
► Wir bevorzugen saisonale Lebensmittel
► Wir berücksichtigen Aspekte gesundheitsfördernder Ernährung
► Mehr frische Lebensmittel und Bio-Produkte
► mehr Obst, Gemüse und pflanzliche Eiweißträger, dafür weniger Fleisch und süße Nachspeisen

Dessen nicht genug, sieht das Konzept auch einen umfangreichen Qualitätscheck für die Zubereitung, aber auch für den Rahmen und die Gestaltung vor. Hierbei sei die Zubereitung möglichst fettarm, nur selten stehen panierte und frittierte Lebensmittel auf dem Plan und keine Speise darf mehr als drei Stunden warm gehalten werden. Hier kommen die Erkenntnisse der Deutschen Gesellschaft für Ernährung inklusive Gefahrenanalyse und Überwachung kritischer Kontrollpunkte (HACCP-Konzept) zum Tragen und machen deutlich, dass das "Kochen" auch für den Profi eine Wissenschaft wird. Aber nur so lassen sich Geschmack, Qualität, Erhalt der Nährstoffe und Hygienestandards gewährleistzen. Großen Wert gelegt wird dann aber auch auf die Rahmenbedingungen, denn eben diese sind für die Bedeutung, die das gemeinsame Essen haben kann, sehr entscheidend.

Es gibt feste Essenszeiten und kein irgendwann, nebenbei und zwischendurch. Das Essen ist nicht einfach eine "Spielpause" sondern Teil des pädagogischen Konzeptes und hat somit vielfachen Wert. Beim Essen wird gemeinsam Zeit verbracht, ein Miteinander gelebt, Speisen werden verteilt und geteilt, es wird kommuniziert und  es können Fragen gestellt werden. Bisher unbekannte oder noch nie gemochte Speisen erweisen sich vielleicht doch als essbar bis lecker. Und nicht zuletzt kommen alle Kinder in den gleichen Genuss und können auch Rücksicht, Wertschätzung und Achtsamkeit erfahren.

Und zu guter Letzt: Das Konzept fängt weder in der Küche an, noch darf es dort verweilen. Damit Nachhaltigkeit, Ausgewogenheit und Ganzheitlichkeit erreicht werden können, muss die Idee von allen Beteiligten mitgetragen und die Umsetzung im Alltag gelebt werden. Selbstredend ist auch das ein Prozess, der mit Schulungen und Informationsrunden für die Kitaleitungen, Erzieher*innen und das Küchenpersonal begleitet wird. Alle gemeinsam haben einen maßgeblichen Anteil daran, dass die Verpflegung in den Potsdamer IB Kitas mit bestem Beispiel voran geht und dem hohen Anspruch gerecht wird. Ein Beispiel, das gerne Schule machen darf, damit auch in anderen Einrichtungen und Haushalten dem Essen (wieder) eine angemessene Bedeutung zukommt. Wertvoll, spannend, vielseitig und lecker, lecker, lecker.

Nico Bothe zu Gast in einer Kochsendung. Wer ihm auf die Finger schauen und nebenbei noch einiges über den IB Küchenbetrieb und auch die Besonderheiten für die Verpflegung in Kitas erfahren möchte, kommt in diesem YouTube-Video auf seine Kosten.

Wissenswertes rund um die Ernährung und tolle Rezepte gibt es auf der offiziellen Webseite der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

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