Here and Now! Die Ausstellung der besonderen ART

Andrea Zimmer 12.06.2023 Lesedauer 5 Min.

Gemeinsam mit Jugendlichen, die im Wohnheim Marienfelde leben, hat das Künstlerpaar Maria Vill und David Mannstein Paste-Ups gestaltet. Das sind haushohe und zudem höchst beeindruckende Bilder, die aufwendig an die Gebäudefassaden des Notaufnahmelagers geklebt wurden. Bei der Premierenführung u.a. mit Franziska Giffey berichteten die Macher*innen von dem Entstehungsprozess der Bilder und der darin verarbeiteten Auseinandersetzung mit diesem Ort, der bis heute ein Ort des Ankommens ist. Die großflächigen Motive zeigen auf sehr besondere Weise, was die jungen Menschen bewegt – sie  machen Verlust und Schwere ebenso sichtbar wie die Hoffnung auf eine leichtere Zukunft, den Wunsch nach einem freien, selbstbestimmten Leben.

Maria Vill und David Mannstein arbeiten gemeinsam gern an Projekten, die sich spezifisch mit einem Ort und seinem „Thema“ befassen. Manche Werke sind nur temporär zu sehen, andere wiederum dauerhaft präsent. Es scheint, als blickten die beiden in ihren Arbeiten auf etwas ganz Alltägliches und machen sogleich das Besondere darin sichtbar. Ihre Werke verbinden eine formal klare Sprache mit der poetischen, sie erscheinen fast beiläufig und sind eben dabei gleichermaßen überraschend.

Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum sind in ihren kreativen Plänen sehr zentral, denn eben hier sehen sie die große Chance auch Menschen zu erreichen, die gewöhnlicher Weise aus sich selbst heraus keinen Zugang zu Kunst finden oder bisher wenig Erfahrungen mit Kunst gemacht haben.

Kunst ist der äußere Ausdruck eines inneren Lebens ... (E. Hopper)

Mit der Ausstellung „Here and Now“ gelingt eine wertvolle Symbiose zwischen Zeit und Ort, zwischen Realität und Vorstellung. Die Bilder sind zunächst einmal Ausdruck der Jugendlichen und zeigen eine ganz eigene Erinnerung, die persönliche Erfahrung oder den Wunsch für die Zukunft. Gleichzeitig bezieht jedes Werk die Umgebung, den besonderen Ort und somit auch die betrachtenden „Passant*innen“ unwillkürlich mit ein. Man kommt quasi nicht an den Bildern vorbei ohne die Frage:
„Welche Geschichte, welcher Gedanke liegt dem Bild zugrunde?„
Im Dialog mit den Jugendlichen öffnen sich neue Betrachtungsweisen und Perspektiven. Die Bilder können und wollen uns einladen, einander neu, anders, besser zu verstehen.

Wir folgen der Frage und bekommen Antworten: Dies sind die Gedanken der Jugendlichen, aus denen sich ihr persönliches Paste-Up entwickelt hat.
Die Textpassagen sind weitestgehend unverändert übernommen.

 

Maria Vill und David Mannstein

" Rosen " 
... dieses Bild hat gleichzeitig zwei Bedeutungen. Die erste Bedeutung: man ist nicht allein, dass heißt, man sollte sich nicht alleine fühlen, denn um uns herum ist immer jemand, der zu uns hält. In der Mitte des Bildes wird eine Person gezeigt, die sich allein fühlt und denkt, dass sie alleine ist und niemanden hat. Dabei sind die Personen außen für sie da  und halten zu ihr. Selbstliebe ist die Fähigkeit, sich selbst mit allen Stärken und Schwächen anzunehmen und die eigene Persönlichkeit wertzuschätzen. Selbstliebe bedeutet, auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen, für sich zu sorgen und liebevoll mit sich umzugehen. Es bedeutet auch, sich in seinem Körper wohl fühlen zu können und sich so zu zeeigen, wie man ist. Wenn man sich für jemanden ändert oder ändern soll, weil jaemand anderes das möchte, dann fühlt man sich dabei unwohl. In diesem Rosenbild tragen alle das, was sie wollen und womit sie sich wohlfühlen. Damit präsentieren wir unsere eigene Persönlichkeit, sind ehrlich und stark. Selin Abdullah

" Trümmer "

Das ist ein Bild von der Schillingstraße in Reinickendorf im Juli 1944. Im zweiten Weltkrieg wurde die Straße bei einem Luftangriff getroffen und man sieht, das alles kaputt gegangen ist. Die Menschen haben aber nicht aufgegeben und viele haben sich zusammengetan. Gemeinsam haben sie viele Teile der Entrümmerung gesammelt und damit Berlin wieder aufgebaut. Auch ein Teil von diesem Heim hier in Marienfelde, wo ich jetzt wohne, wurde von diesen Steinen gebaut. Also das zeigt, auch wenn alles kaputt ist, geht das Leben weiter und wir können uns eine Zukunft aufbauen. Sheikho

" Mein Einfamilienhaus "

Das ist ein schönes Musterhaus aus einem Katalog. Ich und bestimmt viele Menschen wünschen sich ein eigenes kleines Haus ohne Nachbarschaft, damit man Ruhe hat, viel Raumfläche und einen Garten. Das Haus kann man dann auch selbst gestalten und sich eigene Möbel kaufen. Leider ist es hier in diesem Wohnheim nicht möglich, große oder viele Möbel zu kaufen - nur eine Couch. Dafür muss man 50 € Pfand geben - die bekommen wir dann aber wieder, wenn wir ausziehen. Es ist auch schade, dass wir hier in unserem Wohnheim keine Haustiere haben können. Daher sind auf dem Bild mein Bruder und ich und auch eine Katze, weil viele Menschen sich ein Haustier wünschen. Fatima und Kanwar Nabou

" tanzen - fliegen "

Dieses Bild zeigt Kinder, die hüpfen, turnen und glücklich sind. Diese Kinder sind vom Zirkus Cabuwazi. In der Woche findet der Zirkus meistens zwei mal statt. Wir verbringen dort gern unsere Freizeit, weil wir Kinder hier nicht viel zu tun haben. Außerdem ist Sport gesund und tut gut und hält fit. Auch toll ist, dass man dort deutsch lernt, indem man mit den anderen Kindern redet. Wenn man neu in Deutschland ist, kann man hier auch neue Freunde kennen lernen. Wir haben gemeinsam viel Spaß und die Zeit fliegt so leicht dahin.

" Taube "

Eine Taube mit einem goldenen Ring im Schnabel. Kein Ring. Was da glänzt, ist nicht schön, es sind Leopard 2 Panzer. Aber die Taube steht für Freiheit und Frieden. Die Taube ist dafür da, dass wir Frieden und Freiheit erleben können, weil wir jetzt in Deutschland sind. Hier können wir so vieles machen. In unserer Heimat ist Krieg, wir können nicht frei leben und nichts machen. Die Taube will uns helfen, sie versucht, mit den Panzern im Schnabel weg zufliegen, damit kein Krieg mehr ist. Aya Ossi

 

Machen Sie sich selbst ein Bild. Dieser Artikel kann nur einen ersten Eindruck vermitteln und ist weit weniger beindruckend als das Erlebnis, selbst vor den großen Bildern zu stehen und den hintergründigen Geschichten der jungen Menschen zu zu hören.

"Here and Now" ist noch bis zum 22. Oktober im Rahmen von Führungen auf dem Gelände des Übergangswohnheimes zu sehen. Alles dazu und viele weitere interessante Ausstellungen finden Sie auf der Seite der Stiftung Berliner Mauer, der wir hier auch für ihr großartiges Engagement danken.
Gefördert wurde das Projekt u.a. mit Mitteln des Berliner Fonts Kulturelle Bildung und der IKEA Stiftung.

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